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Turbulenzintensität (nach IEC 61400-1 Ed.3)

Hier erfahren Sie was die Turbulenzklassen A, B, C und S bedeuten und warum die Turbulenzintensität so wichtig für die Auswahl einer geeigneten Windenergieanlage ist...

Als Turbulenz bezeichnet man allgemein den Strömungszustand der Luft, der durch die Bildung und den Zerfall von Wirbeln gekennzeichnet ist. Windturbulenzen werden von der Oberflächenrauigkeit, der Orografie (Geländeform), benachbarten WEA´s und bestimmten Wetterlagen verursacht. Die Turbulenzintensität TI gibt an, wie stark die Windgeschwindigkeit in einem bestimmten Zeitintervall schwankt und wird in % angegeben.

Die Kenntnis der effektiven Turbulenz eines Standortes ist von grosser Bedeutung für  die Last- und Standsicherheitsberechnungen von WEA. Denn je höher die Turbulenz ist, umso stabiler muss die Mechanik der WEA ausgelegt werden. Die meisten Hersteller legen Ihre Anlagen für eine effektive Turbulenz von von 6-12% bis maximal 20% aus. Die IEC 61400-1 Ed.3 definiert folgende Turbulenzklassen für WEA :

Turbulenzklassen: A B C S
TIrep (bei 15m/s): 16% 14% 12% Sonderklasse (offshore etc.),
definiert vom WEA-Hersteller

Von den internationalen Turbulenzklassen (IEC) hat die deutsche DIBt-Norm nur die höchste IEC-Klasse A übernommen.

Zwei Beispiele für Turbulenzverläufe:

Mit zunehmender Nabenhöhe oder bei höheren Windgeschwindigkeiten nimmt der Einfluss der Umgebungsrauigkeit ab und die Turbulenzintensität wird geringer. links und rechts sehen Sie zwei Windgeschwindigkeitsverläufe mit den dazugehörigen Turbulenzintensitätsverläufen. Links mit geringer Turbulenzintensität von 8% (gut) und rechts einen mit hoher Turbulenz von 20% (schlecht).

Am Standort mit der niedrigen Umgebungsturbulenz könnten man also eine IEC xx A/ B oder C Anlage errichten.. Am rechten Standort wäre vermutlich sogar eine robuste IEC xx A Anlage überbeansprucht.

Grafische Darstellung des Turbulenzintensitätsverlaufs eines realen Messmaststandortes (grün) zusammen mit dem drei Grenzverläufen der IEC Turbulenzklassen A, B und C.

ERKLÄRUNG: schwache Winde lassen sich leicht durch die Rauigkeit der Umgebung ablenken und stören (Bewuchs, Orografie), was zu hohen Turbulenzwerten führt, die aber nur geringe Energie besitzen. Mit zunehmender Windstärke verliert diese Bodenrauigkeit immer mehr an Einfluss und die Turbulenzwerten sinken stark ab.

Und wie wird der TI-15 Wert jetzt ermittelt?

Zur Bestimmung des TI-15 Wertes eines Messmaststandortes, werden nach IEC 61400-Ed3 die Winddaten eines vollständigen Messzyklusses im Bereich 9m/s bis 25m/s verwendet. Für den Turbulenzverlauf des Beispielstandorts links (grüne Linie), ergibt sich daraus der Wert der natürlichen (representativen) Umgebungsturbulenz TI15 zu 13,1%.

welche Messhöhe soll verwendet werden und wie verändert sich die Turbulenzintensität mit der Höhe?

Verwenden Sie zur Bestimmung der Turbulenzintensität auf der geplanten Nabenhöhe einfach die Daten des höchsten Messmast-Anemometers. Wenn Sie unbedingt die TI auf Nabenhöhe bestimmen wollte, rechnen Sie die 10min Mittelwerte auf Nabenhöhe hoch und lassen dabei deren Standardabweichung konstant. Dies führt zu einem Absinken des TI-Wertes mit ansteigender Höhe.

Unterschiede zwischen der alten IEC 61400-Ed.2 und der neuen Ed.3:

IEC61400-1 Edition 2
(DIBt 2004 und IEC 61400-1 Edition2)
Klasse TI15 (charakteristisch) a
A 0,18 2
B 0,16 3
   
S hersteller-/projektspezifisch
IEC61400-1 Edition 3
(DIBt 2012, IEC 61400-1 Edition 3)
Klasse TIrep (repräsentativ) a
A 0,16 3
B 0,14 3
C 0,12 3
S hersteller-/projektspezifisch

Für einen Beispiel-Messmast wurde die Umgebungsturbulenz oben für die Edition 2 und unten für die Edition 3 berechnet. Wie man sieht, ist zu den Klassengrenzen A und B der Ed.2 ist nun in der neuen Edition 3 eine dritte Klasse C hinzugekommen. Ausserdem hat sich der Berechnungsalgorithmus geändert, so dass für ein und denselben Standort, die Umgebungsturbulenz 13,9% nach Ed2 und 14,8% nach Ed3 ist (eine mathematische Kurz-Beschreibung ist im BWE Dokument "Mindeststandards für Turbulenzgutachten" zu finden

effektive Turbulenzintensitäten in einem Windpark

Unten sehen Sie die berechneten TIeff Verläufe für die einzelnen WEA Positionen in einem Windpark. Die Turbulenzverläufe liegen hier z.T. deutlich über der höchstzulässigen TI-Klasse A. Um die Standsicherheit einer solchen Park-Konstellation zu bestimmen, sind tiefergehende Lastberechnungen notwendig. Zuerst erfolgt eine Berechnung der Ermüdungslasten (fatigue loads), in der die normalen Belastungen des Dauerbetriebs erfasst werden, gefolgt von einer Extremlastberechnung (extreme load analysis). Bei den Lastberechnungen werden alle wind induzierten (Mechanik-)Lasten auf die Grosskomponenten wie Blätter, Turm, Hauptlager, Getriebe, Welle, Generatorlager berechnet und analysiert.

Beispiel für einen gemessenen Turbulenzintensitätsverlauf im Rahmen einer WEA-Leistungskurvennachvermessung

gemessene Turbulenzintensität

Hier der Häufigkeitsverlauf der Turbulenzintensität für die obige Messung:

Häufigkeit der gemessenen Turbulenzintensität

Begriffserklärungen aus Turbulenzgutachten:

TI Turbulenzintensität:
Verhältnis der Standardabweichung der Windgeschwindigkeit zum Mittelwert der Windgeschwindigkeit, bezogen auf Zeitintervalle von üblicherweise zehn Minuten.

TIUG Umgebungsturbulenz(intensität):
natürliche Turbulenzintensität am Standort ohne den Einfluss von Windenergieanlagen.

TIchar charakteristische Turbulenzintensität: (DIBt 2004 und IEC 61400-1 Edition 2)
Mittelwert der Umgebungsturbulenzintensität zuzüglich der einfachen Standardabweichung der Umgebungsturbulenzintensität. TIcha=TImittel+Iσ

TIrep repräsentative Turbulenzintensität: (DIBt 2012, IEC 61400-1 Edition 3)
Mittelwert der Umgebungsturbulenzintensität zuzüglich der 1,28fachen Standardabweichung der Umgebungsturbulenzintensität. TIrep=TImittel+1,28Iσ

TIeff effektive Turbulenzintensität:
Summe aus Umgebungsturbulenzintensität und Windparkturbulenz (verursacht durch turbulente Nachlaufströmungen der Nachbar-WEA´s). TIeff kann direkt mit den WEA- Auslegungswerten der Hersteller für die maximal zulässige Turbulenzintensität verglichen werden.

Im Bereich der Windkraftnutzung gibt es neben der oben beschriebenen natürlichen Umgebungsturbulenz noch eine künstlich erzeugte Turbulenz im Windpark. Sie wird auch Wake-Turbulenz genannt und wird durch die Windenergieanlagen im Windpark selbst hervorgerufen. Die Summe aus Umgebungsturbulenz und Wake-Turbulenz ergibt schließlich die effektive Turbulenz, mit der alle Berechnungen für Ermüdungs–  und Extremlastanalysen im Rahmen der Standsicherheitsanalysen durchgeführt werden.

-> Die natürliche   Turbulenzintensität ist also die Basisgröße um den geplanten Windenergie-Standort einer der IEC-Klassen einzuordnen, wie sie in der IEC 61400-1 definiert sind.

-> sind zusätzlich noch die Werte für vmittel und v50-Jahres-Wind bekannt, dann kann man jetzt endlich eine passende Windenergieanlage auswählen, die dann perfekt zu den Windbedingungen vor Ort passt.

Zum Schluss...

Turbulenzen - gut oder schlecht?

Sie haben bis hier unten eine Menge über Turbulenzen und Turbulenzintensität erfahren. Aber ist sie nun gut oder eher schlecht für die Windenergienutzung?

- schlecht :

Die meisten Aspekte der Luftturbulenz bewirken eine Verschlechterung der Betriebsbedingungen (durch induzierte Ermüdungs-Lasten auf den Rotor, Turm,Triebstrang..).

+ gut:

Turbulente Winde sind energiereicher als konstant strömende und sorgen hinter den Windrädern für eine bessere Durchmischung des "Windschattens" hinter den Rotoren und damit zu einer Verringerung der Wake-Verluste. Das heisst das die abgebremsten Luftmassen hinter dem Rotor schneller von den frei strömenden Luftmassen mitgerissen und wieder beschleunigt werden. Um solche Verhältnise in den verschiedenen Windfeldmodellierungen abzubilden, hat man die Wake-Decay-Konstante als Parameter eingeführt. Sie gibt an wie lange sich die Nachlaufströmung hinter dem Rotor ausbreitet.

Links zu vertiefenden wissenschaftlichen Abhandlungen:

Mindeststandards für Turbulenzgutachten (BWE Gutachterbeirat)

Turbulenzgutachten zur Standsicherheitsanalyse in Windparks (Dr. Thomas Hahm & Steffen Wußow Fluid & Energy Engineering GmbH & Co. KG Hamburg, Germany)

Turbulente Windparkplanung (Thomas Hahm, F2E - Fluid & Energy Engineering GmbH)

3D-simulation of the turbulent wake behind a wind turbine (Steffen Wußow, Lars Sitzki & Thomas Hahm - TÜV Nord)

spatially average of turbulence intnsity inside large wind turbine arrays (Sten Frandsen, Peter Hauge Madsen- Risoe National Laboratory)

Turbulence Intensity in Complex Environments and its Influence on Small Wind Turbines (Nicole Carpman)